ICMIZER, Flopzilla, Pokerstove – wie nützlich sind sie?

Wir sprachen bereits über die Nützlichkeit von Software, die statistische Daten und Informationen über Deine Gegner an den Online-Pokertischen sammeln. Wenn Du ein ernsthafter Online-Pokerspieler bist, kommst Du um die Verwendung wenigstens eines dieser Produkte wie Holdem Manager 2 oder HUD nicht herum.

Aber was ist mit den Softwares, mit denen du deine Entscheidungen als Spieler bewerten kannst? Sind sie das Geld wert? Die Antwort ist ja, aber … Schauen wir uns an, was diese Werkzeuge leisten können und was nicht.

Alle oben genannten Tools sind primär für die Bewertung und Betrachtung von Situationen außerhalb der eigentlichen Sessions gedacht, sie können aber auch durchaus während des Spiels eingesetzt werden, sofern man genug Zeit hat. Im Livespiel sind sie natürlich nicht zugelassen, da das Benutzen von Tablets, Smartphones oder gar Laptops dort immer verboten ist.

Man kann einerseits beliebige Situationen vor oder nach dem Flop eingeben und berechnen lassen, wie hoch die eigene Gewinnchance (Equity) ist. So kann man z.B. berechnen, wieviel Prozent man mit JTS gegen AKo hat. Das sind die Basics – interessant wird es aber, wenn man “Ranges” definieren kann, indem man entweder einen Bereich wie “die Top 25% aller Hände” vorwählt und dann sieht, welche Hands in dieser Range enthalten sind, um wiederum die Chancen der eigenen Hand dagegen zu berechnen. Oder, man wählt bestimmte Hände aus, von denen man glaubt, dass der Gegner sie so spielen würde, und berechnet dann die eigene Chance.

Weiterhin kann man Hand Histories importieren und die eigenen Chancen in einer bereits gespielten Hand berechnen lassen, um so herauszufinden, ob man optimal gespielt hat. Dies ist viel Arbeit, hilft aber sehr dabei, Löcher im eigenen Spiel zu finden.

In der Praxis können diese Tools eine große Hilfe sein. Nehmen wir an, man hat einen Spieler, über den man eine große Anzahl von Statistiken hat, z.B. laut Holdem Manager 2 raist der Spieler sehr oft als first-in – nehmen wir an, 25% aller Hands.Laut Flopzilla bedeutet das, dass er alle Pocket Pairs raist, alle suited connectors ab 56s aufwärts, A4s und besser, A9o und besser. K9s, Q9s sowie alle Broadway Hands.
Nun kann man seine eigene Hand einschätzen und sehen, wie oft man mit ihr gegen diese Range gewinnt. In der Theorie wäre es nun korrekt, einen Reraise (3-Bet) zu machen, wenn die eigene Hand mehr als 50% Equity gegen diese Handrange hat – vor allem weil man zusätzlich Fold Equity hat (d.h. die Möglichkeit besteht, dass der Gegner auf meine 3-Bet hin preflop foldet, und weil man als 3-Bettor nach dem Flop oft durch eine weitere Bet den Pott kassieren kann.

Soweit, so gut – aber wo sind die Fallstricke?

Nun, zunächst einmal funktionieren diese Tools besser für Cashgames. Im Turnier gibt es andere Überlegungen, nämlich die des eigenen Überlebens im Turnier, oder auch die Frage, wieviel % seines Stacks man riskieren sollte. Im Cashgame kann ich immer wieder nachladen, und mathematisch korrektes Spiel ist wichtig, weil der Gegner sonst Schwächen erkennen und immer wieder ausnützen könnte (exploitative play).

Im Turnier ist der Erhalt des eigenen Stacks wichtig, insbesondere vor dem Bubble und wenn man bereits im Geld ist und Auszahlungssprünge das Überleben lukrativ machen. Sich immer wieder auf 55/45% Situationen einzulassen, führt auf Dauer zwangsläufig zum Totalverlust.

Ein weiteres großes Problem ist es, wenn man z.b. ICMIZER voll ausreizt, indem man z.B. folgende Überlegung anstellt:
Mein Gegner hat noch 10 BB, ist in Middle Position, die Hand ist bisher ungeraist und er geht all-in. Ich habe K9s auf dem Big Blind, und ich habe 20 Big Blinds. Mit ICMIZER könnte ich jetzt ausrechnen, mit welchen Hands der Gegner “theoretisch profitabel” all-in gehen könnte, dann meine Hand dagegen stellen, und würde feststellen, dass ein Call rechnerisch richtig wäre, da er mir auf Dauer XXX Chips einbringen würde.

Hier aber stößt auch ein leistungsfähige Software wie ICMIZER an seine Grenze, denn:

  1. kann ich wirklich davon ausgehen, dass der Gegner tatsächlich mit der theoretisch korrekten Range all-in geht? Wenn seine all-in Range deutlich tighter ist, dann ist die Rechnung Makulatur.
  2. was passiert, wenn ich die Hand verliere? Ich würde von 20 BB auf 10 BB abrutschen. Mit 20 BB habe ich im Turnier weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung (z.B. einen Preflop Raise mit einer anschließenden C-Bet), während mit nur noch 10 BB eigentlich fast immer vor dem Flop nur noch eine Frage besteht – all-in oder nicht?

Fazit:

Diese Softwares sind zu Trainings- und Analysezwecken hervorragend geeignet (es emfehlen sich insbesondere Flopzilla und ICMIZER), aber für die tatsächliche Entscheidung muß der Spieler immer auch noch andere Aspekte einbeziehen. Insbesondere im Turnier wäre es ein schwerer Fehler, sich nur auf die Empfehlungen solcher Tools zu verlassen!