Raisen oder callen beim Poker – was ist die bessere Entscheidung?
Im No-Limit Turnier steht man immer wieder vor dieser Entscheidung – call oder raise? Grundsätzlich gilt die klassische Aussage, dass eine Hand die gut genug ist, um mit einem Call gespielt zu werden, auch gut genug sein muss um geraist zu werden.
In der Praxis ist das aber nicht immer so einfach, daher wollen wir Euch hier einige Entscheidungshilfen geben.
Vor dem Flop
Hier muss ich mir als erstes die Frage stellen, was ich in der jeweiligen Situation erreichen will. Möchte ich die Blinds stehlen, den Pott vor dem Flop füllen, möchte ich das Feld reduzieren? Für diese Fälle ist natürlich ein Raise angebracht. Die Höhe des Raise hängt vom Zweck ab. Ein normaler Raise beträgt in der Regel das dreifache bis vierfache des Big Blind. Variationen sind aber möglich.
Generell muss man sich bei einem Preflopraise darüber im klaren sein, dass man in der Regel nach dem Flop erneut betten wird, selbst wenn man den Flop verfehlt hat. Auf diese Art kann ein Pott sehr schnell eskalieren, weswegen man seine Raises dosiert einsetzen sollte.
Ein Raise vor dem Flop hat aber noch einen, ganz entscheidenden Zweck: man kann im Anschluss aus der Reaktion der Gegner besser einschätzen, was der Gegner hat. Angenommen zum Beispiel, man raist mit ATs aus middle position, und der Spieler hinter einem reraist. In so einem Fall kann man davon ausgehen, dass der Reraiser eine gute Hand hat, wie zum Beispiel ein As mit höherem Kicker, oder ein Pocket Pair. Man wird diesen Raise möglicherweise noch callen, aber wenn man den Flop verfehlt, ist es besser auszusteigen. Durch den Raise verliert man oft insgesamt weniger Chips, als wenn man z.B. im obigen Beispiel gegen AKo mit seiner dominierten Hand bis zum River geht.
Eine weitere Überlegung ist besonders wichtig für die Entscheidung zwischen Raise und Call, nämlich die Frage, ob man seine Hand nach dem Flop in jedem Fall wieder betten will. Angenommen, man hat wieder ATs und man hat den Big Blind. Alle Spieler folden, der Big Blind callt, der SB foldet. Soll man nun nur callen oder raisen? Ich empfehle hier unbedingt zu raisen, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens, ein Call auf dem BB bedeutet meist eines dieser beiden Szenarien: entweder der Spieler hat eine Monsterhand wie AA oder KK und will mehr als die Blinds kassieren, indem er den Gegner im Spiel hält, oder eine schwache spekulative Hand wie T9o, von der er sich nicht trennen kann, die zu raisen er aber sich nicht traut.
In Fall 1 produziert ein eigener Raise oft einen kräftigen Re-raise, und man ist gewarnt bzw kann billig aus der Hand aussteigen.
In Fall zwei kann es sein, dass der Gegner sofort foldet, meist aber wird er einen kleinen Raise noch callen. Nach dem Flop habe ich jetzt aber die Initiative, weil ich zuerst betten kann. Da ich vor dem Flop seinen Call geraist habe (obwohl ich ja eigentlich ebensogut nur hätte callen können), wird der Gegner nun eher bereit sein, seine Hand weg zu werfen, wenn er den Flop nicht getroffen hat. Im prinzip dient dieser Raise also der Vorbereitung der nächsten Aktion, nämlich dem Stehlen des Potts.
Bei der Anwendung dieser Strategie sollte man aber die Spielweise des Gegners mit einbeziehen – dumme Spieler denken über solche Dinge nicht nach und lassen sich dementsprechend nicht so leicht zum Folden zu überzeugen.
Wann aber sollte man dann tatsächlich callen? Hierfür gibt es einige Argumente:
1. man befindet sich an einem extrem loosen Tisch, und Raises werden hier grundsätzlich von den anderen Spielern wenig oder gar nicht respektiert. Hier kann es Sinn machen, nur zu callen und auf dem Flop dann mit einer Made Hand aggressiv weiter zu spielen. Pocket pairs wären eine typische Hand für diese Spielweise.
Wenn nach einem Raise mit 77 noch vier Spieler am Tisch sind, muss ich schon mein Set treffen, um zu gewinnen – da das aber nur in 10% aller Fälle passiert, kann ein ständiges raisen mit pocket pairs an einem loosen Tisch schnell teuer werden.
2. man hat eine typische “multiway” hand, wie JTs – solche Hands haben besonders gegen viele Gegner gute Chancen
3. man hat eine schwache Hand, aber gute Position, beispielsweise: T9o auf dem Button, ungeraister Pott, vier Caller. Bei solchen Pot Odds und der besten möglichen Position nach dem Flop würde ich zumindest bei niedrigen Blinds mit fast jeder Hand den Flop sehen wollen, aber ein Raise wäre natürlich kompletter Unsinn.
Nach dem Flop
Argumente für ein blosses Callen einer gegnerischen Bet:
1. Man hat den Flop optimal getroffen und hat eine Monsterhand, will aber den oder die Spieler hinter einem noch im Spiel halten. Achtung: slowplayen nur bei wirklichen guten Händen!
2. Man hat einen guten Draw und die Pott Odds sind ok für einen Call, aber man möchte sich keinen Re-Raise einfangen
3. Man hat eine sehr gute Hand und glaubt, dass der Gegner den Turn erneut betten wird. Durch Call Flop / Raise Turn erhöht man den Pott und der Gegner ist u.U. pot-committed, das heißt er hat so viele Chips im Pott, dass er nicht mehr aussteigen kann.
Argumente für einen Raise nach einer gegnerischen Bet:
1. Auch hier kann die Informationsgewinnung noch von Bedeutung sein. das gilt insbesondere bei Händen, die zum All-in führen können. Eine mäßiger Raise auf eine gegenerische Bet kann helfen, noch rechtzeitig aus einer Hand auszusteigen, wenn die Reaktion des Gegners Stärke zeigt.
2. Der klassische Free Card Raise: man hat den button und eine drawing hand. Der Gegner bettet, und man selbst raist. Meist wird der Gegner anschliessend auf dem Turn checken. Hat der Turn den eigenen Draw komplettiert, kann man erneut betten, wenn nicht, kann man ebenfalls checken und bekommt den River umsonst zu sehen.